Dienstag, 14. Januar 2014
Sie mögen es kaum glauben - ich wollte es nicht glauben.
Die letzte Woche habe ich im Krankenhaus verbracht.
Weil ich seit der großen OP Wasser in der Lunge habe und die Ärzte nun gerne einmal die Ursache finden wollten.
Loch gemacht, Kamera rein gesteckt, Proben genommen, Schlauch drin gelassen.
Diagnose: möglicherweise versprengte Metastasen.
Wenn, dann Lungenkrebs.
So nicht operierbar.

Gestern zum ersten Geburtstag des Kleinen entlassen worden.
Mit Schlauch, ohne Ergebnis.

Heute das letzte Laborergebnis - nach fünf Tagen.
Keine Tumorzellen nachweisbar.

Ich kann nicht mehr.
Das muss aufhören jetzt.

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Samstag, 28. Dezember 2013
Ich habe an meiner eigenen Trauerrede geschrieben.
Im Kopf.

Zuerst habe ich mich an das Chopgirl gewandt, deren Mut mich in der Situation zu heiraten damit belohnt worden ist als junge Witwe weiter zu leben anstatt als glückliche Ehefrau, und habe nochmal beschworen, dass sie meine große Liebe ist und es schmerzt, nicht mehr Zeit mit Ihr verbringen zu dürfen.

Dann habe ich mich an alle Anwesenden gewandt und jeden Einzelnen darum gebeten meinem Kind beizustehen und es zu behüten und zu beschützen.

In den letzten sechs Monaten habe ich mehr Tränen geweint als in den 46 Jahren davor.
Ich habe um das Chopgirl geweint, um mich, um die elende Art des Sterbens welche mir bevorstand und um meinen Sohn.

Nichts schmerzte so sehr, wie der Gedanke mein Kind zurück zu lassen.
Ihm nicht beistehen zu können, nicht helfen zu können, nicht trösten zu können, vor allem es nicht beschützen zu können.

Diesen Schmerz spüre ich immer noch.
Jedesmal wenn ich ihn ansehe.
Aber er lässt nach.
Nicht so schnell wie die OP-Schmerzen aber er geht.
Und der Raum, den er hinterlässt, wird langsam, ganz langsam, von der Freude eingenommen, weiterleben zu dürfen.

Ich habe es geschafft.

Ich Danke Ihnen sehr für die guten Wünsche und Gedanken die mich begleitet haben.
Es hat geholfen.

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Sonntag, 1. Dezember 2013
So.
Wenn's diesmal beim Termin bleibt, und ich nicht wieder unverrichteter Dinge aus dem OP geschoben werde, dann mal ich mir eine drei auf meinen Bauch - dann hat der Prof auch seinen Adventskalender.

Wünschen Sie mir Glück!

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Samstag, 16. November 2013
Am Donnerstag lerne ich atmen.
Dachte ich , könnt' ich schon.
Richtiges Atmen. Insbesondere nach Bauch-OP.
Gut, dass hab' ich noch nicht ausprobiert.
Lerne ich dann also.

Freitag
Montag, vielleicht,

übernächsten Dienstag wahrscheinlich
(damit findet Weihnachten für mich wohl im Krankenhaus statt)
ist's dann soweit.
Wenn Sie mir da vielleicht die Daumen drücken mögen ...?

Danke!

Ich fühl' mich mitlerweile wie die Ameise unter dem Brennglas ...

Die Ärztin des - nun verfrühten - Aufnahmegespräches begann die Begrüßung mit den Worten: In Sparta würde man mich jetzt erschlagen ...
und beendete das Gespräch mit
Zweimal haben wir noch keine OP verschoben. Damit stehen Sie jetzt unter einem besonderen Schutz.
Darauf komme ich gerne zurück ...

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Montag, 4. November 2013
...
Eineinhalb Stunden vor der Untersuchung beginne ich mit dem Trinken der Kontrastflüssigkeit. Alle halbe Stunde einen Becher.
CT beginnt um 09:00 Uhr.
Dreißig Minuten später bin ich wieder auf dem Zimmer.
Jetzt heißt es warten.
Befund könnte mir heute noch mitgeteilt werden, weiteres Vorgehen erst nach der Tumorkonferenz eine Woche später.
Nach fünf Stunden frage ich nach einem Befund. Das Shopgirl möchte gerne dabei sein. Das verlangt Organisation mit unserem Kleinen.
Das kann dauern, mit dem Befund wird mir beschieden. Immerhin bin ich nicht der Einzige heute.
Ich beschließe für mich noch eine Stunde zu warten.
Dann kommt die Ärztin wieder zu mir. Befund ist immer noch nicht geschrieben. Aber sie habe sich den Erstbefund noch mal angesehen. Das sähe ja doch eher verheerend bei mir aus. Die Größe und die Anzahl der Metastasen ... also da sollte ich mich lieber auf eine Fortführung der Chemotherapie einstellen und den Gedanken an eine OP auf später verschieben. Und das Ergebnis der heutigen Untersuchung würde wohl doch erst morgen vorliegen.
Ich gebe der Ärztin zu verstehen, dass ich dann lieber nach hause fahre um mit meinem Kind zu spielen als hier auf den den nächsten Tag zu warten.
Ich rufe das Shopgirl an und sie holt mich ab. Die Stimmung auf der Fahrt nach hause ist entsprechend gedrückt. Hoffnung fühlt sich anders an.

Zu Hause zeigt das Display des Telefons die Nummer der Onkologie.
Keine Nachricht auf dem AB.
Ich rufe zurück und lasse mich mit der Ärztin verbinden.
Sie habe jetzt doch schon meinen Befund erhalten und wollte mir das Ergebnis unbedingt noch am heutigen Tag mitteilen: die Metastasen sind stark geschrumpft. Das Ergebnis der Chemotherapie sei sehr gut. Selbst wenn die Chirurgen sich nicht zu einer OP entschließen würden, könnte man mit einer weiteren Chemo die Metastasen wahrscheinlich wegbekommen. Für mich wäre das eine win-win Situation.
Ob ich mich denn freue fragt sie beinahe euphorisch.
Ja, doch, sag ich - dabei habe ich nicht mal mehr die Kraft zu heulen.

Morgen ist Tumorkonferenz.
Ich traue dem plötzlichen Frieden nicht.

Edit: Ergebnis der Tumorkonferenz: Alles nicht so einfach
Der Chef muss sich das noch mal persönlich und in Ruhe anschauen.
Also weiter warten und inzwischen Impfen lassen weil die Milz auch raus muss.
2013 lehrt mich Demut. So oder so.

Edit: Chef hat sich für OP entschieden. Primärtumor und Milz raus. Leberresektion - ohne alle Metastasen zu entfernen. Da bliebe zu wenig Leber.
Freitag gibt's das Vorgespräch.
Ich traue dem Frieden immer noch nicht.

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Dienstag, 22. Oktober 2013
Ab|schluß
Ich habe am Sonntag den sechsten - und geplant letzten - Zyklus meiner Chemotherapie beendet.
Hab' ich nach dem ersten Zyklus noch gemeint meine Körper würde das recht gut weg stecken, weiß ich jetzt: es kam schlimmer.
Der Ekel vor dem letzten Infusionsmarathon (15 Infusionen in 56 Stunden) bleibt unbeschrieben.
In einer Woche ist D-Day.
Top oder Hop.
Leben oder Sterben.
Jetzt bin ich wieder im Tunnel.
Und kommunikationstechnisch bin ich hinter dem Mond.

Das nächste mal lesen Sie dann von mir Post-OP oder Pre-Mortem.

Abwarten ...

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Montag, 9. September 2013
Ab|warten
Halbzeit.
Gestern habe ich die Hälfte der angesetzten Chemotherapien beendet. Es folgen weitere drei im 14-tägigen Rhythmus.

Danach kommt dann der Tag der Wahrheit.

Die Nebenwirkungen nehmen zu sind aber kaum wenig spürbar, nicht sichtbar.
Die Abwehrkräfte nehmen kontinuierlich ab. Spätestens nächste Woche werde ich wohl zur Vermummung greifen müssen.

Mein Seelenzustand wirkt erholt. Es ist, als wäre ich unvorhergesehen in einen dunklen Tunnel geraten, der mich nach ungefähr zwei Wochen wieder frei gegeben hat. Ohne ein Licht am Ende. Irgendwann war ich durch.

Die Konsequenzen sind durchdacht.
Jetzt befinde ich mich im Niemandsland.
Hier ist es nicht mehr dunkel aber fad.
Zweidimensional.
Leer.
Lachen erzeugt kein Echo.

In spätestens vier, fünf Wochen geht es wieder durch einen dunklen Tunnel.
Mit oder ohne Licht am Ende.

Wünschen Sie mir Glück.

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Montag, 26. August 2013
Ab|schied
Mit der Überschrift habe ich nun schon zweimal den Tod mir nahestehende Menschen betrauert.
Hier nun geht’s um mich.

Eigentlich wollte ich so anfangen:
Ich habe wenig gute und viele schlechte Nachrichten.

Zuerst die Guten:
Meinem Kind geht es gut.
Ich habe mit dem Rauchen aufgehört. [Eigentlich ganz einfach bei 47 Tagen KH-Aufenthalt, davon 31 in Rückenlage]
Und ich bin wieder verheiratet. [Ging ganz schnell. Nottrauung. Ich trug ein OP-Hemd, alle anderen Anwesenden blaue Kittel, Haube und Mundschutz]
Und ich habe eine schwere Sepsis überlebt – sogar ohne Verlust einer unteren Körperextremität. Bei einer Mortalität von 80 % ein Grund zum Feiern.

Dann habe ich gemerkt, dass die guten Nachrichten die schlechten in ihrer Anzahl überwiegen.
Dafür sind die schlechten Nachrichten schwerwiegender.
Da bin ich dann wieder beim Füllstand des Glases.
Und sehen Sie es mir nach: Mein Glas ist halb leer.

Womit ich bei den schlechten Nachrichten bin:
Darmkrebs, lebermetastasiert. Ungünstige Prognose.
Derzeit nicht operabel. Damit seit zwei Wochen Chemotherapie.

Eine ebenso passabler Einstieg wäre vielleicht auch der (um ein Fragezeichen ergänzte) Romantitel des zweiten Romans von Josh Bazell gewesen:
Einmal Hölle und zurück.
Aber wie ich herausgefunden habe, ist diese Phrase schon so häufig benutzt worden, da wollte ich mich dann auch nicht mehr einreihen.

Aber es fühlt sich so an. Wie auf dem Weg zur Hölle.
Und mir bleibt nicht viel mehr als zu hoffen, dass es keine Reise ohne Wiederkehr ist.
Das das Ende noch offen ist. Und glücklich werden kann.

Sie machen sich keine Vorstellung davon, was eine solche Diagnose mit Ihnen macht.
Bevor sie mir gestellt wurde, hätte ich jedem, der mir das gleiche entgegengebracht hätte, mit einem „Doch, doch …“ geantwortet.
Aber glauben Sie mir: Sie haben keine Vorstellung.
Es sei denn, Sie haben ähnliches er- und überlebt.
Und wenn Sie dabei nicht verrückt geworden sind, seien Sie sich meines Respektes sicher.

In meinem letzter Eintrag hier ging es um mein Empfinden von Angst:
Hab ich mich bisher (in meinem zweiten Leben) als angstfrei gefühlt (rückblickend trifft es nicht ängstlich besser) so spielt mir meine Phantasie jetzt schon mal den ein oder anderen Streich - in der Sorge um den Nachwuchs.

Jetzt kann ich Ihnen versichern:
Ich habe eine Scheissangst.

... und sehen Sie mir bitte nach, dass die Komentarfunktion abgeschaltet ist.
Ich wüsste diesen nichts zu erwidern.


Edit: Die Gesichtsrasurzyklen nehmen deutlich ab. Von Vorteil.

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