Dienstag, 23. Oktober 2007
Ab|lepsie
Ich habe mein Leben vor über fünf Jahren umgekrempelt und neu begonnen.
Mein Leben hatte bis dahin eine feste Struktur und definierte Meilensteine, an denen ich zielstrebig vorbeiging und die ich stetig hinter mir lies.
Vor knapp sechs Jahren begann ich aufzuwachen und mir unaufhaltsam Weichen zu stellen, die mir zwar neue Wege auftaten aber nicht mehr an den weiteren Meilensteinen vorbeiführten.
Mit dieser Erkenntnis kam die große Unsicherheit.

Ähnlich als würde man den zehn Meter Sprungturm besteigen. So lange man im Aufstieg begriffen ist, herrscht das berauschende Gefühl vor, etwas Neues zu machen. Etwas, wozu anderen der Mut fehlt. Oder die Möglichkeiten.
Doch wenn Du dann an der Absprungkante stehst, verlässt Dich der Mut. Du willst wieder runter. Festen Boden unter den Füssen spüren. Aber bitteschön die Treppe hinab. Und zurückspulen. Alles auf Anfang. So, dass die, die eben noch am Fuße des Turmes standen und dir Beifall oder Kopfschütteln zollten, sich, wie Du, nicht mehr daran erinnern würden, dass Du Dich aus der Masse herausheben wolltest.
Aber das geht nicht. Es gibt keine Rückspulfunktion. Du kannst die Treppe benutzen und wirst Dich Dein Leben lang fragen, wie sich der Sprung und das Eintauchen anfühlen würden. Und du wirst fortan hinter jedem Lächeln, das Dir entgegengebracht wird Häme und Schadenfreude vermuten, weil Du so vermessen warst, die Norm hinter Dir lassen zu wollen.

Aber springst Du, weißt Du wie es sich anfühlt. Dann kennst Du nicht nur die Treppe, sondern auch den freien Fall und das Gefühl des Eintauchens in eine andere Welt.

In vielen Köpfen herrscht drangvolle Enge. Menschen schaffen sich Mauern links und rechts ihres Sichtfeldes. Sie ermöglichen es Ihnen, scheuklappenähnlich, sich besser auf ihr Ziel am Horizont zu konzentrieren. Und es hilft Ihnen dies Ziel nicht zu verlieren oder gar eintauschen oder aufgeben zu wollen.
Nur haben Sie keine Vorstellung mehr davon wie breit dieser Horizont tatsächlich ist.

Ein Großteil meiner Mauern ist abgerissen. Ich kann mich immer wieder und mehr an der Breite des Horizontes erfreuen.
Sicher, ich verliere mich auch mal, laufe Zickzack und bin nicht mehr so zielstrebig.
Aber ich sehe und begreife viele verschiedene Ziele. Und eine unendliche Vielfalt des Fortkommens. Während ich noch gehe, überholt mich der, der sich treiben lässt. Und der, der geschoben wird scheint still zu stehen.

Soweit es irgend geht, habe ich das Wort „normal“ aus meinem Wortschatz gestrichen. Und „falsch“ und „richtig“.

Darum, und weil ich am eigenen Leib erfahre, dass es für etliche Dinge keine rationale Erklärung gibt, frage ich manchmal auch nicht mehr nach einem Grund.

Wortlos.

Bitte!

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